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Literaturcafé im Garten vor der Kulturschmiede „Effi Briest“
14. Juni 2021 um 19:00 - 21:00
Liebe Lesefreundinnen, liebe Literaturfreunde,
hier folgt mit allerherzlichsten Frühlingsgrüßen die Einladung zur ersten Open Air-Sitzung des Literaturcafés am Montag, dem14. Juni 2021, um 19:00h im Garten vor der Kulturschmiede. Wir gehen einfach mal davon aus, dass es uns gelingt, uns wieder einmal leibhaftig über Schöne Literatur auszutauschen. Zur Feier des Sommers wurde Theodor Fontanes Roman „Effi Briest“, gerade eimal 126 Jahre alt, gewählt. Und es wieder einmal überhaupt nicht unbedingt nötig, dass ihr den Text (vollständig) gelesen haben müsst – Spaß macht es auf jeden Fall, einzelne Kapitel herauszunehmen und daraus vorzulesen und sich über das „weite Feld“ gemeinsam Gedanken zu machen.
Mal gucken, ob das klappt!
Zur Einstimmung (und vielleicht auch Erinnerung): Michaels Sommertheater – Effi B. in 9,5 Minuten:
https://www.youtube.com/watch?v=Tf8ifFn0w4Y
und – etwas ernster – ein paar Anmerkungen von mir zum ersten und letzten Kapitel.
Es freut sich schon sehr auf euch
Jens Clausen
Zum ersten und letzten Kapitel von Theodor Fontanes Roman „Effi Briest“ (1895),von Jens Clausen, im August 2009
Fontanes Erzähler der letzten 13 Jahre von Effis Leben ist zu Beginn ihrer tragischen Lebensgeschichte als junger Frau wesentlich darum bemüht, den vielleicht weniger als halbstündigen Zeitraum eines heißen Julitages möglichst lange festzuhalten. Am Anfang scheint die Zeit im Garten des abgelegen in der preußischen Provinz liegenden Elternhauses fast still zu stehen: detailliert und emblematisch beschreibt der Allwissende den Garten mit seinem Mittelpunkt, der Sonnenuhr, als sanften Kontrast von Licht und Schatten.
In diese Kulisse werden zunächst Mutter und Effi, die sie im Gespräch der epischen Szene als „immer Tochter der Luft“ charakterisiert, hineingestellt. Kein Wort fällt über den Bräutigam, der doch sozusagen vor der Tür steht. Die noch 16-jährige Effi spielt dann mit ihren drei gleichaltrigen Freundinnen, jede auf ihre Weise kindlich-naiv, das Rollenspiel zukünftiger Erwachsener. Effi, völlig frei von jeglichem Schuldbewusstsein, stellt nach luftigem Schaukeln in der Mitte des einleitenden Kapitels im Kreis ihrer teils neugierigen, teils altklugen Freundinnen fest, dass die Geschlechterrollen das Schicksal ihrer Träger determinieren. Hulda will davon nichts wissen, es interessiert sie die – romantische – Liebesgeschichte „mit Entsagung“. Wirklich aber hat sie Angst, in der Entfaltung ihrer Leidenschaft sozial bestraft zu werden. Effi scheut ihr gegenüber kein Risiko. Eher beiläufig plaudern eine relativ lange Weile die jungen Mädchen über Effis zukünftigen, doppelt so alten Ehemann.
Effi interessiert viel mehr die dramatische Inszenierung einer grotesk-absurden ‚Beerdigung’ der Schalen der von ihnen die ganze Weile über genossenen Stachelbeeren: die Mädchen verstehen die feierliche Versenkung der „Schlusen“ im Teich als Sinnbild der Bestrafung untreuer Ehefrauen, von der sie im Unterricht gehört hatten. Hulda stellt fest, sie „vergesse so was“. Auch hier wieder bildet Effis Antwort, die der Erzähler neutral, das Kapitel abschließend, protokolliert, den komplementären Kontrast: sie „behalte so was“.
Im letzten Kapitel wird sich der Kreis schließen: Das, was der Leser im fiktiven „Jetzt“ des Anfangs so sommerlich-sinnlich wahrnehmen (sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken) kann, ist nach den fatalen 13+ Jahren am Schluss des 36. Kapitels nur noch Erinnerung – der Herbst ist gekommen, es geht trotz des Sonnenscheins auf den Winter zu, die Sonnenuhr ist fort, und die – diesen Kommentar kann sich der Erzähler nicht verkneifen – „arme Effi“ ist „seit gestern“ im Gartenmittelpunkt begraben. Effis Mutter, der alte Briest und ein trauernder Hund schauen auf den „Heliotropen“ und fragen sich, ob sie denn nun schuld seien am Tod ihrer Tochter, die nun nicht mehr – es scheint so, als sei’s gerade gestern gewesen – in freien Lüften schaukeln darf. Die Gesellschaft hat sie so früh abstürzen lassen, aus der Luft unter die Erde gebracht.