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Literaturcafé „Franz Werfel“
8. Januar 2019 um 19:00 - 21:00
8.Januar 2019 um 19:00h in der Kulturschmiede An der Hütte 3 in Wuppertal-Cronenberg
werden wir, so steht zu vermuten, ähnlich innige Gefühle gegenüber dem Dichter Franz Werfel entwickeln, wie das schon vor mehr als hundert Jahren unsere Else Lasker-Schüler in ihrem Gedicht getan hat:
„Franz Werfel“
Ein entzückender Schuljunge ist er.
Lauter Lehrer spuken in seinem Lockenkopf.
Sein Name ist so mutwillig:
Franz Werfel.
Immer schreib ich ihm Briefe,
Die er mit Klecksen beantwortet.
Aber wir lieben ihn alle
Seines zarten, zärtlichen Herzens wegen.
Sein Herz hat Echo,
Pocht verwundert.
Und fromm werden seine Lippen
Im Gedicht.
Manches trägt einen staubigen Turban.
Er ist der Enkel seiner eigenen Verse.
Doch auf seiner Lippe
Ist eine Nachtigall gemalt.
Mein Garten singt,
Wenn er ihn verläßt.
Freude streut seine Stimme
Über den Weg.
Else Lasker Schüler
Franz Werfel wurde am 10. September 1890 in Prag geboren. Seine Eltern waren Juden. Seine tschechische Kinderfrau, der Besuch der privaten katholischen Volksschule und das katholische Prag prägten seine Kindheit und Schulzeit, die er 1909 mit dem Abitur abschloss. Von 1912 bis 1915 war er Lektor beim Kurt-Wolff-Verlag in Leipzig. Hier war er auch mitverantwortlich für die Schriftenreihe Der jüngste Tag und begegnete hier auch Rainer Maria Rilke. Nach dem Kriegsdienst lebte er in Wien und schloß Freundschaft mit Alma Mahler-Gropius, der Witwe Gustav Mahlers und Ehefrau des Architekten Walter Gropius. Er zog sich weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurück und ging oft auf Reisen. In dieser Zeit schrieb er auch seinen Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh. 1818 brachte Alma Mahler seinen Sohne Martin Carl Johannes zur Welt. Im Winter 1937/38 hielt er sich mit Alma im Ausland auf und kehrte nach dem „Anschluss“ Österreichs nicht mehr zurück nach Wien. 1940 fanden die Werfels Zuflucht in Lourdes, und zusammen mit Alma, Heinrich, Nelly und Golo Mann floh herzu Fuss über die Pyrenäen nach Spanien. Von dort gelangten sie nach Portugal und emigrierten in die USA nach Beverly Hills und Santa Fe. 1941 erhielt Werfel die amerikanische Staatsbürgerschaft und veröffentlichte im selben Jahr seinen Roman Das Lied von Bernadette, der 1943 verfilmt wurde. Franz Werfel starb am 26. August 1945 in Beverly Hills an einem Herzinfarkt. Er wurde zunächst in Beverly Hills begraben und hat seit 1975 ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof in Wien.
Wir werden gleich zwei längere Erzählungen Franz Werfel besprechen – ihr mögt euch nach Gusto entscheiden, welches Buch ihr (intensiver) zur Vorbereitung unseres Treffens lesen wollt. Oder vielleicht lest ihr auch beide!
Die erste Erzählung:
Hamburger Lesehefte, 2,20 €
Der Titel des 1928 erschienenen Schlüsselromans führt in die Irre: Das 25-jährige Jubiläum des Jahrgangs 1902 ist nicht Hauptthema, sondern lediglich Anlass zur Auseinandersetzung des Protagonisten Sebastian mit den Ausschweifungen seiner Schulzeit, zu denen das Schwänzen des Unterrichts, der Besuch von Nachtlokalen, übermäßiger Alkoholgenuss und spiritistische Séancen zählten. Parallel dazu verhört Sebastian als Untersuchungsrichter im Mordfall an einer Prostituierten einen Angeklagten, den er als seinen ehemaligen Mitschüler Franz Adler zu erkennen glaubt. Selbstanklagende Aufzeichnungen des Richters führen zurück in dessen Jugendzeit, als sein Aufstieg im Klassenverband und Freundeskreis den Abstieg Adlers auslöste, den er systematisch quälte und demütigte. Die Thematik der Jugendschuld ist dabei eng verbunden mit der Frage, ob ein Mensch einen anderen vernichten kann oder ob
der Schuldige nicht sein Opfer, sondern vielmehr sich selbst zerstört.
Die zweite Erzählung:
Reclam, 4,20€
Ein Tag im Herbst 1936: Der Aufsteiger Leonidas, Sektionschef in einem Wiener Ministerium, erhält einen Brief seiner einstigen jüdischen Geliebten, der seine soziale Existenz gefährdet. Werfel zeichnet in seinem »kurzen Roman« ein spannend erzähltes Porträt einer von Norm- und Subjektkrisen gezeichneten Epoche, einer Zeit, die so unberechenbar erschien, dass das Ich nicht einmal seiner selbst sicher sein konnte.
Die Erzählung entstand in Frankreich auf Werfels Flucht vor den Nationalsozialisten und wurde schließlich in einem argentinischen Verlag publiziert. Der hier präsentierte Text folgt dem Erstdruck von 1941.
Unser nächster Termin ist Dienstag, der 5. Februar, wieder um 19:00h in der Kulturschmiede. Bitte schickt mir eure Lektüre-Empfehlungen zu; ich sammle diese und teile sie Anfang Januar allen mit.
Eine herrliche Weihnachtszeit und den besten Wünschen für Gesundheit und Frieden einen guten Rutsch ins Neue Jahr!
Herzliche Grüße
Jens Clausen