“Noch einmal vier Jahre Merkel – was ist wirtschaftspolitisch von der GroKo zu erwarten?”

Mittwoch, 20. Juni 2018 um 19:0021:00
Referent Prof. Dr. Bontrup

Prof.Bontrup, Hochschulllehrer an der Westfälischen Hochschule und Sprecher der Arbeitsgruppe „Alternative Wirtschaftspolitik“  hat am 20.Juni in der Kulturschmiede einen Vortrag zu der Frage „Was ist wirtschaftspolitisch von der Groko zu erwarten?“ gehalten. Die Arbeitsgruppe „Alternative Wirtschaftspolitik“ publiziert seit den 1970er Jahren in jedem Jahr ein kritisches wirtschaftspolitisches „Memorandum“, das inzwischen als eine Art Gegengutachten zum Sachverständigenrat (die sogenannten „Fünf Weisen“) der Bundesregierung anerkannt ist. Etwa 1000 Hochschullehrer, Wirtschaftsexperten, Gewerkschaftler, Ökologen  und interessierte Laien haben die Kurzfassung des Memorandum 2018 unterzeichnet.
Es erstaunt daher nicht, dass Prof.Bontrup´s fulminates und leidenschaftliches Plädoyer für eine grundsätzliche Richtungsänderung in der Finanz-, Geld – und Wirtschaftspolitik eine lebhafte Diskussion in der Kulturschmiede auslöste. Prof.Bontrup hat mit vielen Fakten und Beispielen aufgezeigt, wie sich die Berliner Parteien überwiegend den scheinbaren Sachzwängen nationaler und internationaler Kapitalinteressen und Konzerne unterwerfen. Eine Gestaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems im Interesse der Bevölkerungsmehrheit finde nur noch in Ausnahmefällen statt. Auf die dringend notwendige Anhebung des Spitzensatzes der Einkommensteuer und auf eine spürbare Vermögens- und Erbschaftssteuer auf Großvermögen wird verzichtet, obwohl die ganz überwiegende Bevölkerungsmehrheit und die Staatsfinanzen hiervon profitieren würden.
Der Preis der derzeitigen relativen Prosperität in Deutschland sei eine klaffende Lücke zwischen einer kleinen Zahl von Superreichen  und einer wachsenden Zahl von Menschen, die ohne jede Perspektive auf steigende Lebensqualität und gesellschaftlicher Teilhabe ausgegrenzt und leichtes Opfer für rechtspopulistische  Demagogen werden. Auch die Exportstärke Deutschlands sei kein Zeichen von besonderer Innovations- und Investitionstätigkeit, sondern von einem schon seit Jahrzehnten anhaltenden Druck auf das reale Lohniveau, befördert durch eine Schwächung der Gewerkschaften und eine „Reserverarmee“  von – bei korrekter Rechnung – immer noch 6 Millionen Arbeitssuchenden.
Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beruhe auf dem massiven Druck auf die Nettoreallöhne und dem Niedrighalten der Lohnstückkosten, zu Lasten des Einkommensniveaus der Bevölkerung  und der Binnenkaufkraft.  Dem Exportweltmeister Deutschland stünde dadurch im Ausland Verschuldungsweltmeister gegenüber. Dadurch entstünde eine extrem ungleichgewichtige Wirtschaftsentwicklung, die von der EU, vom Weltwährungsfonds und besonderes auch von den USA (nicht nur von Trump) seit langem kritisiert wird, weil sie die internatonal und europäische Krisenanfälligkeit erheblich verstärkt.
Eine Zahl von Prof.Bontrup zeigt die wirtschaftspolitisch verursachte Schieflage der Verteilung in Deutschland   besonders eindruckvoll:

Wäre der Anteil der Löhne am Volkseinkommen (die sogenannte Lohnquote) auf dem maximalen Stand des Jahres 2000 bis heute verblieben, dann hätten die abhängig Beschäftigten bis heute sage und schreibe 1,400.000.000.000 (1,4 Billionen Euro!) mehr   Einkommen erzielt.  Stattdessen ist diese riesige Geldsumme den Gewinnbeziehern zugeflossen.

Mit einem Wort: Der Vortrag von Prof.Bontrup  war ein erneutes Highlight in der Reihe anspruchsvoller Vorträge und lebhafter Diskussionen in der Kulturschmiede!

24.06.2018 Prof. Dr. Peter Hennicke